Forschungsfelder


Wissenschaftstheoretisches Statement

"Die Entstehung einer Disziplin 'Rechts- und Verfassungsgeschichte' setzt voraus, dass Recht überhaupt als historisches Phänomen erkannt werden kann" (Michael Stolleis). Unter "Recht" wird hier daher keine aus göttlicher Allmacht oder natürlicher Logik stammende, einem absoluten Gerechtigkeitsideal entsprechende und daher unveränderliche Ordnung, sondern "jedes von Menschen für Menschen gesetzte (= positive), regelmäßig wirksame (= effektive), organisierten Zwang androhende Regelungsystem verstanden" (Robert Walter). So wie der Mensch fehlerhaft ist, so ist auch das von ihm gesetzte Recht nicht von Fehlern befreit. Zwar haben sich die Menschen zumeist bemüht, das positive Recht gerecht zu gestalten. Doch was sie unter Gerechtigkeit verstanden haben, hat zu verschiedenen Zeiten Verschiedenes bedeutet. Denn eine "absolute Gerechtigkeit" ist ein "irrationales Ideal" (Hans Kelsen).

Recht ist also wandelbar; es spiegelt die Werthaltungen einer Kultur wider. Diese zu erkennen, ist nur möglich, wenn die weltanschaulichen, soziökonomischen oder sonst politischen "Triebkräfte bloßgelegt werden, die zur Fortbildung des Rechtes als der lebensbedingenden Ordnung jeder Gemeinschaft führen" (Heinrich Mitteis). Dies ist die Aufgabe der Rechts- und Verfassungsgeschichte. Sie muss "mit Entschiedenheit dem (Aber-) Glauben entgegentreten, dass die Entwicklung der Rechtsordnung gleichsam automatisch stets zu einem höheren Grad der Vollkommenheit führe. Das Gegenteil ist der Fall: Keine Zeit und keine Rechtsordnung ist frei von Anfechtungen und der Möglichkeit von Rückfällen" (Werner Ogris). So darf der Blick des Rechtshistorikers niemals nur rückwärts gewandt sein. Seine Beschäftigung mit der Vergangenheit des Rechts enthält immer auch eine Reflexion der Gegenwart. Die rechtshistorische Forschung zeigt die Richtung an, aus der das Recht kommt und hilft so zu erkunden, wohin es geht. So mündet jede sinnvoll betriebene Rechtsgeschichte in eine auf die Gestaltung der Zukunft ausgerichtete Rechtswissenschaft.