Einkaufszentrum in Wien XIX. Ehemalige, 1938 arisierte Papierfabrik Jac. Schnabl & Co. KG. ©Thomas Olechowski

Vermögensrechtliche Folgen der NS-Herrschaft in Österreich


Zur Einführung

Das BG 6. 2. 1947 BGBl 54 über die Nichtigkeit von Vermögensentziehungen (Drittes Rückstellungsgesetz) bestimmte, daß Vermögensentziehungen, die im Zusammenhange mit der nationalsozialistischen Machtübernahme stattgefunden hatten, nichtig seien und daß die geschädigten Eigentümer das entzogene Vermögen von den derzeitigen Besitzern zurückfordern konnten.

Über die Ansprüche, die sich aus dem Dritten Rückstellungsgesetz ergaben, hatten besondere Rückstellungskommissionen zu entscheiden, die bei den Landesgerichten eingerichtet wurden. Berufungsinstanz waren die Rückstellungsoberkommissionen bei den Oberlandesgerichten, Revisionsinstanz die Oberste Rückstellungskommission (ORK) beim Obersten Gerichtshof. Die Rückstellungskommissionen und die Rückstellungsoberkommissionen entschieden in Senaten mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei Laienrichtern als Beisitzern. Die ORK war zur Gänze aus Berufsrichtern - Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes - zusammengesetzt; zu den bekanntesten Mitgliedern der ORK gehörten Heinrich Klang und Karl Wahle.

In der Folge wurden mehr als 42.000 Verfahren bei den Rückstellungskommissionen anhängig gemacht; mehr als 11.000 Verfahren bei den Rückstellungsoberkommissionen und 2.842 Verfahren bei der ORK. Außer den eigentlichen Rückstellungsanträgen wurde auch über Gegenansprüche, über Regreßansprüche und sonstige aus Vermögensentziehung und Rückstellung resultierende Ansprüche entschieden. Der Höhepunkt der Tätigkeit der Rückstellungskommissionen war um 1950; ab 1954 konnten - mit wenigen Ausnahmen - keine neuen Ansprüche mehr gestellt werden, doch zog sich die Tätigkeit der Rückstellungskommissionen noch bis in die Siebziger Jahre hin.

Im Jahre 1998 wurde von Bundeskanzler, Vizekanzler, Nationalratspräsident und Bundesratspräsident die Historikerkommission der Republik Österreich eingesetzt, die den gesamten Themenkomplex "Vermögensentzug auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit sowie Rückstellungen bzw. Entschädigungen (sowie wirtschaftliche und soziale Leistungen) der Republik Österreich ab 1945" zu erforschen und darüber zu berichten hatte. Die Historikerkommission vergab in der Folge eine Reihe von Forschungsaufträgen an Historiker und Juristen. Ich selbst gehörte einer Projektgruppe unter der Leitung von Franz Stefan Meissel an, die eine rechtshistorische Analyse der Tätigkeit der Rückstellungskommissionen vornehmen sollte. Unser Schlussbericht wurde am 6. Juni 2002 von der Historikerkommission an deren Auftraggeber übergeben und am 4. Juli 2002 im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit präsentiert. Die Publikation in Buchform erfolgte gemeinsam mit den anderen Berichten der Historikerkommission knapp einenhalb Jahre später.

 

Einschlägige Publikationen

A) Monographie

  • Untersuchungen zur Praxis der Verfahren vor den Rückstellungskommissionen
    Gemeinsam mit Franz Stefan Meissel und Christoph Gnant
    (= Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich Bd. IV/2)
    Wien/München: Oldenbourg 2004, 416 Seiten
    (pdf lesen)

B) Aufsätze

  • 2. Warum heute noch immer "Wiedergutmachung"?
    In: Isabella Ackerl / Johann Lehner / Johannes Sachslehner (Hrsg), Wissen! Antworten auf unsere großen Fragen. Wien: Styria 2006, 320–321
  • 1. Die Rückstellungskommissionen und ihre Richter
    In: Verena Pawlowsky / Harald Wendelin (Hrsg), Die Republik und das NS-Erbe. Raub und Rückgabe. Österreich von 1938 bis heute. Wien: Mandelbaum 2005, 67–77

C) Rezensionen

  • 2. Rezension von: Levin, Aline, Erinnerung? Verantwortung? Zukunft? Die Beweggründe für die gemeinsame Entschädigung durch den deutschen Staat und die deutsche Industrie für historisches Unrecht (= Rechtshistorische Reihe 356, Frankfurt ua 2007) In: ZRG GA 126 (2009) 886–888
  • 1. Rezension von: Böhmer, Peter/Faber, Roland, Die Erben des Kaisers. Wem gehört das Habsburgervermögen? (Wien 2004) In: ZRG GA 126 (2009) 792–794